Letzte Lesung von Georg Drinnenberg nach 30 Jahren

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Viele Zuhörer, ein herbstlich geschmückter Saal im Pfarrzentrum von St. Georg und große Vorfreude auf einen erkenntnisreichen Abend: Damit war alles angerichtet für die letzte Lesung von Georg Drinnenberg. Darin ging es um die italienische Erzählkunst vom 13. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert.

Ein Schwerpunkt seiner Lesung bildete Giovanni Boccaccio (1313-1395). Er war italienischer Schriftsteller und bedeutender Vertreter des frühen Renaissance-Humanismus. Sein Hauptwerk, das 100 Novellen umfassende „Dekameron“, erzählt die Geschichten von zehn jungen Leuten, die während der Pest in Florenz in ein Landhaus fliehen. Die Erzählungen behandeln Themen wie Liebe, List und menschliche Schwächen. Georg Drinnenberg wählte einige Novellen daraus aus.

Die „Falkennovelle“ zum Beispiel erzählt von edler Liebe, Opferbereitschaft und einem überraschenden Wendepunkt: Federigo degli Alberighi, ein junger Edelmann, verliebt sich in die schöne, aber verheiratete Monna Giovanna. Um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, verschwendet er sein gesamtes Vermögen für Turniere und Geschenke – vergeblich. Am Ende bleibt ihm nur ein kleines Landgut und sein wertvoller Jagdfalke. Nach dem Tod ihres Mannes zieht Monna Giovanna mit ihrem Sohn in die Nähe von Federigo. Der Sohn verehrt den Falken und fragt seine Mutter, den Falken für ihn zu erbitten. Monna Giovanna besucht Federigo – dieser, ohne den wahren Grund zu kennen, schlachtet den Falken, um ihr ein würdiges Mahl zu bereiten. Als sie ihren Wunsch äußert, ist sie erschüttert über das Opfer. Der Sohn stirbt kurz darauf, doch Monna Giovanna erkennt Federigos Edelmut und heiratet ihn später.

Drinnenberg stellte auch die Novelle „Madonna Filippa“ vor. Sie beschäftigt sich mit dem Thema Ehebruch. Ihr Ehemann überrascht Madonna Filippa mit ihrem Liebhaber und verklagt sie. Im Gerichtsprozess verteidigt sie sich mit der Begründung, dass sie niemandem schade und genug Liebe für beide Männer habe. Das strenge Gesetz, das Ehebruch mit dem Tod bestraft, wird danach gelockert. Die Novelle vom „Kranich mit einem Bein“ gilt als ein Paradebeispiel für Boccaccios Humor und die Kunst der schlagfertigen Ausrede.

Schließlich widmete sich der Referent Giambattista Basile (1566-1632). Der neapolitanische Schriftsteller gilt als einer der ersten großen Märchenerzähler Europas. Sein Hauptwerk, das „Pentameron“, enthält die frühesten literarischen Fassungen von Märchen wie Dornröschen, Aschenputtel und Hänsel und Gretel. Georg Drinnenberg wählte das Märchen „Die fünf Söhne“. Es erzählt von fünf Brüdern mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die gemeinsam eine Prinzessin retten. Der König ist von den Fähigkeiten der Söhne beeindruckt und gibt die Prinzessin deren Vater Pacione zur Frau – als Belohnung für die Erziehung so tüchtiger Söhne.

Aus dem 19. und 20. Jahrhundert las Georg Drinnenberg Geschichten der Schriftsteller Alberto Moravia und Cesare Pavese. Alberto Moravia (1907-1990) war ein bedeutender italienischer Schriftsteller und Intellektueller, bekannt für seine kritischen Romane über Entfremdung, Sexualität und die Bourgeoisie. Der italienische Schriftsteller Cesare Pavese war einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts in Italien und ein zentraler Vertreter des literarischen Neorealismus.

Ehrung Georg Drinnenberg

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Nach dem Ende der Lesung bekam Georg Drinnenberg viel Applaus für seine abwechslungsreiche und lebendige Reise durch die italienische Erzählkunst. Christoph Kutzner, 1. Vorsitzender des Riva-Vereins, würdigte das Engagement von Georg Drinnenberg in den vergangenen Jahrzehnten. Er bedankte sich im Namen des Riva-Vereins für die vielen von ihm gehaltenen Vorträge und Lesungen. Den ersten Vortrag hielt Drinnenberg im November 1995.

Als Dankeschön überreichte ihm Christoph Kutzner ein Weinpräsent und verwies auf die Mitgliederversammlung am 6. März, in deren Rahmen eine weitere Ehrung geplant ist.

Text: Matthias Schaider