Die Reisegruppe auf der Treppenanlage des Hauses Wahnfried. Foto: Freundeskreis

Unter der bewährten Führung des eingespielten Dreigestirns Georg Drinnenberg, Dr. Pina und Heribert Kittel führte die diesjährige Frühjahrsreise des Freundeskreises Bensheim-Riva del Garda ins oberfränkische Bayreuth.

Die genaue regionale Bezeichnung ist für die Einwohner noch heute von Bedeutung, denn schließlich gehörte der größte Teil Oberfrankens über mehrere Jahrhunderte zum Herrschaftsbereich der Hohenzollern, bevor Napoleon das Gebiet erst Anfang des 19. Jahrhunderts dem Königreich und späteren Freistaat Bayern zuteilte.

Kulturelle und geologische Wegmarke der Hinreise bildeten die Basilika zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Gößweinstein, spätbarockes Meisterwerk des Baumeisters Balthasar Neumann, als Wallfahrtskirche spirituelles Zentrum und die Felsburg in Tüchersfeld, als imposante Felsformation ein erdgeschichtlich interessantes Symbol der fränkischen Schweiz.

In Bayreuth angekommen, erwartete die Reisegruppe eine besondere Überraschung. Der Landgerichtspräsident Bayreuths, Matthias Burghardt, ein guter Bekannter des Ehepaars Kittel, führte die Gruppe persönlich durch seine Stadt. Als gebürtiger Hesse erwies er sich als ausgezeichneter Kenner der Stadtgeschichte und Lokalpatriot seiner Wahlheimat.

Den Stadtplan Bayreuths zieren vier Köpfe historischer Persönlichkeiten, alles Zugereiste, die zu ihrer Zeit der Stadt kulturellen Glanz verliehen: der Dichter und Schriftsteller Jean Paul, zu seiner Zeit gefeiert, aber heute ein wenig in Vergessenheit geraten, der unstet reisende Klaviervirtuose und Komponist Franz Liszt, sein Schwiegersohn Richard Wagner, untrennbar mit dem Namen Bayreuth verbunden und als Glanzpunkt die Königstochter Wilhelmine, Tochter des Soldatenkönigs sowie Schwester Friedrich des Großen von Preußen und spätere Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, die gemeinsam mit ihrem Gemahl das Gesicht der Stadt nachhaltig geprägt hat. Wir bekamen Einblick in die ambivalenten Lebensumstände und den komplexen Charakter der musisch und literarisch hoch talentierten preußischen Prinzessin, die mit ihrem Leben in der Provinz haderte, aber ohne deren Wirken Bayreuth nicht die Musik- und Kulturmetropole wäre, die sie heute ist.

Kenntnisreich führte Georg Drinnenberg die Gruppe durch die Schloss- und Parkanlagen in Bayreuth und Umgebung. Einen ersten Eindruck vermittelte der Besuch des ab 1753 erbauten Neuen Schlosses im Herzen der Stadt samt Hofgarten und Freimaurermuseum. Hofbaumeister des Markgrafenpaares war der französische Architekt Joseph Saint-Pierre, der Bayreuth, nach den Plänen Wilhelmines, im Stil des Barock und Rokoko zur glanzvollen Residenzstadt umbaute. Das an das neue Schloss angebaute „Italienische Schlösschen“ mit verspielter Innendekoration entstand nach ihrem Tod als Hochzeitsgabe für die zweite Frau des Markgrafen.

Eine architektonische Besonderheit stellt das unter dem Einfluss Wilhelmines entstandene Markgräfliche Opernhaus dar, seit 2012 UNESCO-Weltkulturerbe. Feierlich eingeweiht wurde es anlässlich der Hochzeit ihrer einzigen Tochter Elisabeth Friederike Sophie mit dem Württemberger Herzog Carl Eugen. Ungewöhnlich ist die Konstruktion des Theaterbaus; in eine von Saint-Pierre entworfene steinerne Gebäudehülle wurde das eigentliche, im italienischen Stil erbaute, Logentheater als reine Holzkonstruktion eingelassen. Verantwortlich für den Innenausbau waren die Theaterarchitekten und Bühnenbildner Giuseppe und Carlo aus der italienischen Künstlerfamilie Galli da Bibiena. Im angrenzenden Museum konnte man an interaktiven Modellen die mechanische Bühnenkonstruktion erproben, Kulissen verschieben, Wind- und Regengeräusche erzeugen und somit seinem Spieltrieb freien Lauf lassen.

Die folgenden Tage waren dem Besuch der unter der Regentschaft des Markgrafenpaares fantasievoll ausgebauten Landschaftsparks in Bayreuth und Umgebung gewidmet. Eingebettet in eine abwechslungsreiche Natur, inspiriert von französischer, englischer und italienischer Gartenbaukultur, entstanden romantische Garten- und Parkanlagen, die den Besucher eintauchen lassen in die Epochen des Rokoko, der Empfindsamkeit und des Historismus.

Besucht wurden das im 5 km entfernten Donndorf gelegene Schloss „Fantaisie“ mit gleichnamiger Parkanlage und die Bayreuther „Eremitage“. Schloss und Park „Fantaisie“ verdanken ihren Namen der Prinzessin Friederike Sophie, die das Landgut nach dem Tod ihres Vaters 1763 erbte, sich nach ihrer gescheiterten Ehe mit dem Herzog von Württemberg 1765 hierhin zurückzog und sich ein Refugium nach ihren Vorstellungen schuf. „In Württemberg gedachte ich Ruhe und Heimat zu finden, vergebens. Hier aber, inmitten dieser grünen Wildnis, habe ich vergessen gelernt. Und mehr: Nur in unseren Träumen wohnt, was wir alle auf Erden suchen: das Glück. Darum nenne ich Schloss und Park um mich her – F a n t a i s i e.“ Die grüne Wildnis ließ sie mit verschlungenen Wegen, Wasserspielen, Skulpturen und verwinkelten Ecken domestizieren. Im Schloss sind die markgräflichen Räumlichkeiten und das erste deutsche Museum für Gartenbaukunst zu besichtigen.

Die bedeutendste Parkanlage Bayreuths, die „Eremitage“ vor den Toren der Stadt, mag Vorbild gewesen sein. Hier kann sich der Besucher eine Vorstellung vom höfischen Leben der Zeit machen. Im ursprünglich als Orangerie gebauten Neuen Schloss mit Sonnentempel und Wasserspielen ist ein Café untergebracht. Eine Besonderheit ist die aus Steinen, Kristallen und Glasstücken gebildete mosaikartige Fassade, die je nach Lichteinfall eine glitzernde Farbigkeit hervorzaubert. Symbolhaft soll die Anlage die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde verkörpern mit dem von der Quadriga des Sonnengottes gekrönten Sonnentempel im Zentrum.

Beim Besuch des Alten Schlosses mit innerer Grotte bekommt man einen Einblick in das sogenannte „Eremitenleben“ der markgräflichen Familie, denn hier wurde Eremit „gespielt“. Die Teilnehmer betraten das Schloss durch die mit Steinen, Glas und Muscheln verkleidete innere Grotte, in der sie zu ihrer Überraschung und zur Freude der Zuschauer auf der oberen Galerie, aus bis zu 200 versteckten Wasserdüsen durchnässt wurden, um sich dann in den anschließenden Zimmern ihrer Kleidung zu entledigen und in die raue Kutte eines Eremiten zu schlüpfen. Der Park der Eremitage bietet mit seiner Natur, künstlichen Grotten und Ruinen ein Fest für alle Sinne, und die Wasserspiele in der Grotte des alten Schlosses lassen sich heute trockenen Fußes genießen.

Wie der Bericht zeigt, gibt es ein faszinierendes Bayreuth ohne Wagner, aber natürlich ist Bayreuth ohne Wagner heutzutage nicht mehr vorstellbar, und so standen natürlich auch der Besuch des Hauses Wahnfried und des Festspielhauses auf dem Programm. Die Villa Wahnfried, am Rande des Bayreuther Hofgartens gelegen, beherbergt das Wagner-Museum und im angeschlossenen Garten die Grabstätte des Komponisten und seiner Frau Cosima. Über sie gab Pina Kittel der Gruppe einen einfühlsamen Einblick über ihr schillerndes Leben außerhalb von Regel und Normen. Cosima fördert Wagners Kunstgeist, und nach seinem Tod verhalf sein Werk zu dem Erfolg. Das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel entstand, weil sich das anfänglich von Wagner favorisierte Markgräfliche Opernhaus als zu klein erwies. Bei der gebuchten Führung wurde die besondere Konstruktion des Festspielhauses als hölzerner Klangkörper dargelegt. Mit der durch Wagner initiierten Tieferlegung des Orchestergrabens und ein dem antiken Amphitheater nachempfundenen ansteigenden Parkett entstand ein Theater, das sich auch nach heutigen Maßstäben zu einem der Opernhäuser mit der weltweit besten Akustik zählen kann.

Nach so viel Kultur durften natürlich auch die leiblichen Genüsse nicht fehlen. Deshalb gab es am letzten Abend eine Führung durch die sogenannten Katakomben, die historischen Felsenkeller der Bayreuther Bierbrauerei Maisel mit anschließender Verkostung und Verköstigung im dazugehörigen Restaurant. Hier wurde den Organisatoren gedankt, mit stehendem Applaus wurde Georg Drinnenberg bedacht, der sich nach über 30-jähriger Mitarbeit im Organisationsteam in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen möchte. Er und seine kulturelle Aufbereitung der Reisen werden dem Verein fehlen.

Ein letztes Highlight auf der Heimreise war der Besuch des Felsengartens „Sanspareil“, einer ebenfalls von der Markgräfin Wilhelmine angelegten Parkanlage inmitten der ungewöhnlichen, fantastischen Landschaft der Fränkischen Schweiz. Seinen Namen verdankt der Park dem bewundernden Ausruf einer Hofdame: „Ah, c’est sans pareil!“ – „Das ist ohnegleichen!“ Heribert Kittel gab einen faszinierenden Einblick in Geologie und Erdgeschichte der Fränkischen Schweiz, deren bizarre Felsformationen und Karsthöhlen u.a. aus den in zahlreichen Algenriffen abgelagerten Sedimenten entstanden sind, als diese Gegend vor Jahrmillionen von Jahren von einem tropischen Flachmeer bedeckt war.

Mit einem gemeinsamen Mittagessen und einer sicheren Rückfahrt, dank des schon fest zum Ensemble gehörenden Busfahrers Mario, endete eine Reise „sans pareil“. Getreu nach einem Aphorismus von Jean Paul „Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist“ wird die nächste Reise des Vereins mit Vorfreude erwartet.

Autorin: Doris Tiemann