
Die Italienreise des Freundeskreises Bensheim – Riva del Garda führte in diesem Jahr wieder an den Gardasee und in die Partnerstadt Riva del Garda. Wie immer, bei den vom Ehepaar Pina und Heribert Kittel perfekt organisierten Reisen, war auch bei dieser Reise der Weg das Ziel.
In der Antike zogen die römischen Eroberer über die von ihnen erbaute Via Claudia Augusta nach Germanien, während das Land in Mittelalter und Neuzeit von Eindringlingen aus dem Norden erobert wurde. Geschaffen war die erste völkerverbindende Europastraße, die heute die Touristenströme in den sonnigen Süden bringt.
Geboren allerdings wurde das Refugium des Gardasees aus Eis und Schnee, wie Heribert Kittel erläuterte, als sich während der letzten Eiszeit gewaltige Gletschermassen von den Alpen Richtung Süden schoben, das Tal zwischen härterem Felsgestein ausschürften und bei der Gletscherschmelze am Ende der Eiszeit das entstandene Tal mit dem Schmelzwasser füllte.
Die Zeit der Reise war gut gewählt, die Saison nahezu vorbei, die richtige Zeit für eine Bildungsreise.
Besichtigung von Bressanone
Die Fahrt durch den farbenprächtigen, goldenen Oktober führte in Richtung Südtirol, und nach einer Zwischenübernachtung bei Sterzing gab es eine informative Führung im heute beschaulichen Brixen/Bressanone. Über Jahrhunderte unter der Herrschaft von Fürstbischöfen ist die Stadt am Fluss Eisack geprägt von der Hofburg, der ehemaligen bischöflichen Residenz, die sich beim Bauernaufstand 1525 als uneinnehmbar erwies, und dem imposanten Dom mit der kunsthistorisch wertvollen gotischen Freskenmalerei im Kreuzgang. Ein Spaziergang durch die Altstadt mit ihren hübschen Häusern und Laubengängen schloss die Besichtigung ab, weiter ging es nach Süden ins bezaubernde Dörfchen Borghetto sul Mincio, wo der Legende nach, die Tortellini ihren Ursprung haben, die hier Nodi d’amore (Liebesknoten) heißen. Zur Zeit der Herrschaft der Mailänder Visconti soll sich ein Hauptmann unsterblich in eine schöne Nixe des Flusses Mincio verliebt haben und ihr in den Fluss gefolgt sein. Am Ufer zurück blieb ein geknotetes Seidentuch, Vorlage für die hier heute noch handgefertigten Tortellini, die jedes Jahr im Juni, während der „Festa del nodo d’amore“, an einer langen Tafel auf der Visconti-Brücke über dem Mincio rund 6000 Gästen serviert werden.
Ziel des Tages war Peschiera am südlichsten Ausläufer des Gardasees, wo der im Norden bei Torbole in den See mündende Fluss Sarca, diesen als Mincio wieder verlässt. Sehenswert ist die Altstadt von Peschiera inmitten einer vollkommen von Kanälen umgebenen Festung in Form eines fünfzackigen Sterns und die beiden erhaltenen Tore Porta Brescia und die Porta Verona mit dem unter der französischen Besatzung zerstörten rekonstruierten venezianischen Löwen.
Mit dem Bus ging es am nächsten Tag ins 40 km entfernte Verona, wo ein gut gelaunter, zu Esoterik und gleichzeitiger (Selbst-)Ironie neigender Stadtführer der Gruppe Kunst und historische Bedeutung der Stadt nahebrachte, deren Altstadt seit dem Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Führung durch Verona
Begonnen wurde der Besuch mit der Besichtigung einer der schönsten gotischen Kirchen Norditaliens, der abseits vom Zentrum gelegenen Basilika di San Zeno, die dem im 4. Jahrhundert lebenden Bischof und Schutzpatron der Stadt geweiht ist. Informativ war die Erklärung der christlichen Bedeutung der sowohl romanischen als auch gotischen Elemente des im 12. Jahrhundert entstandenen heutigen Baus. Im Innern zu bewundern waren zahlreiche Fresken, die romanischen Bronzetüren aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, die aus schwarzem Marmor gefertigte Sitzstatue des aus Afrika stammenden Heiligen und ein dreiteiliges Altarbild mit der thronenden Madonna im Zentrum, ein Meisterwerk des Renaissancemalers Andrea Mantegna.
Von der Gründung der Stadt durch die Römer gibt noch heute die für sommerliche Opernaufführungen bekannte Arena di Verona Zeugnis. Die Stadt an der Etsch blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Nach den Römern wurde sie von den Ostgoten unter Theoderich dem Großen beherrscht, der als Dietrich von Bern Eingang in die mittelalterliche Sagenwelt fand.
Die Herrschaft der Scaliger im 13. und 14. Jahrhundert kennzeichnet das Stadtbild noch heute. Während ihrer relativ kurzen Herrschaft entwickelten sie eine enorme Bautätigkeit. Nicht nur in Verona sondern auch in vielen Orten am Gardasee sind die zahlreichen Burgen mit ihren charakteristischen Schwalbenschwanz-Zinnen nicht zu übersehen.
Einzigartig ist die Grablege der Familie della Scala neben ihrer Hauskirche Santa Maria Antica unweit der Piazza dei Signori, die auch Piazza Dante genannt wird, wegen der dort stehenden Statue des Dichters und Vaters der italienischen Volkssprache, welcher während seiner Verbannung aus Florenz bei den Scaligern Aufnahme fand und Verona und die Familie in seiner Göttlichen Komödie wohlwollend erwähnt. Besucht wurde natürlich auch das nicht authentische, aber bei den Touristen beliebte Haus der Julia mit dem nachträglich angebrachten Balkon, um der Balkonszene des Dramas von Shakespeare gerecht zu werden.
Frühzeitig ging es am nächsten Morgen zum nahe gelegenen Sirmione, bevor sich am späten Vormittag der Besucherstrom über die Halbinsel ergoss. Eindrucksvoll überwacht die Rocca Scaligera den Eingang des Ortes, die von der Familie della Scala als Garnison und Hafen für ihre Flotte erbaut wurde. Die Besteigung von Wehrgang und Hauptturm der Rocca boten einen hinreißenden Blick auf die Hafenanlage und den Gardasee. Sehenswert waren auch die archäologischen Ausgrabungen am nördlichen Ende der Halbinsel, die sogenannten Grotten des Catull, Überreste einer römischen Villen- und Thermenanlage aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert und somit erst nach dem Tode Catulls entstanden. Schon die Römer schätzten die noch heute genutzte heilende Kraft des mit einer Temperatur von 69 Grad im See entspringenden jod- und schwefelreichen Thermalwassers. Der nachmittägliche Spaziergang durch Peschiera und eine Weinprobe mit „Lugana“ in der „Tenuta Roveglia“ vollendeten den Tag.
Weiter ging es am nächsten Morgen über die Gardesana Orientale nach Norden mit einem Halt in Torri del Benaco und der Mittagspause in Cassone.
Im Ortsnamen von Torri del Benaco hat sich der antike Name des Sees, den die Römer lacus benacus nannten, erhalten. Die hiesige Skaligerburg, die heute die letzte Limonaia (Zitronengewächshaus) auf der westlichen Seeseite beherbergt, steht auf den Ruinen einer älteren Befestigungsanlage.
Riva del Garda war das letzte Etappenziel der Reise
Die Partnerstadt Riva del Garda, am nördlichsten Punkt des Gardasees gelegen, war das letzte Etappenziel der Reise.
Ein erster Rundgang durch die Stadt unter der ortskundigen Führung von Pina Kittel gab der Gruppe einen interessanten Einblick in die kulturhistorische und touristische Bedeutung der Stadt Riva. Das an der Piazza Tre Novembre direkt am Hafen gelegene Hotel war idealer Ausgangspunkt.
Unübersehbar erhebt sich an der Ostseite der Piazza die Torre Apponale, die über den Westteil des Hafens wachen sollte und weiter östlich, die im 12. Jahrhundert unter den Fürstbischöfen von Trient erbaute Rocca di Riva, eine Wasserburg, die heute das Museum der Stadt beherbergt. An der Westseite der Piazza wandelt man durch die hübsche Säulenhalle des Palazzo Pretorio aus dem 14. Jahrhundert und 200 m über Riva am Monte Rocchetta thront die Bastion, Rest einer im 16. Jahrhundert erbauten venezianischen Festung. Nahe beim Hafen fällt das Ponale-Wasserkraftwerk des Architekten Giancarlo Maroni mit der für ihn typischen Formgebung durch grauen Stein ins Auge. Der in Arco geborene und in Riva lebende Architekt war maßgeblich am Wiederaufbau der Stadt nach Kriegsende beteiligt.
Die günstige zentrale Lage der am Scheitelpunkt von Lombardei, Trentino und Veneto gelegenen Stadt weckte schon früh die Begehrlichkeiten rivalisierender Mächte. Erst nach dem 1. Weltkrieg wurden Südtirol und das Trentino und somit auch Riva dem Königreich Italien eingegliedert. Eine Blütezeit und den Beginn des Tourismus, nach den Bildungsreisenden der Goethezeit, erlebte Riva im 19. Jahrhundert, als Schriftsteller und Gelehrte wie Thomas und Heinrich Mann, Sigmund Freud, Kafka und Max Brod den Ort als Sommerresidenz nutzten und sich im Sanatorium des österreichischen Arztes und Naturheilkundlers Christoph von Hartungen kurieren ließen.

Die 2025 neu gewählte Stadtverwaltung unter Bürgermeister Alessio Zanoni, seiner Stellvertreterin Barbara Angelini und der Kulturreferentin Stefania Pellegrini bereiteten der Gruppe im Palazzo Martini einen herzlichen Empfang. Die Vorsitzenden beider Freundeskreise, Roberta Bonavida der Amici di Bensheim und Christoph Kutzner des Riva-Vereins mit seiner Stellvertreterin Beatrice Tornesi-Blicker nutzten die Zusammenkunft, um über eine Vertiefung der Städtepartnerschaft durch einen über die Schulen organisierten Schüleraustausch zu sprechen. Gewürdigt wurden auch die langjährige Vorsitzende des Vereins Pina Kittel und Enzo Bassetti, der Bürgermeister aus der Gründungszeit der Städtepartnerschaft.
Nach dem Treffen ging es über die am Berghang gelegene und heute als Rad- und Wanderweg ausgewiesene Via Ponale am Nordwestufer des Sees zur Tagliata del Ponale, einer im 19. Jahrhundert von den Österreichern über mehrere Etagen in den Fels geschlagenen Befestigungsanlage. Der Besuch der Anlage, die für die Öffentlichkeit weitgehend gesperrt ist, wurde durch das Rathaus Riva ermöglicht. Wie am Monte Brione, dem Hausberg Rivas, sollten die vom See quasi unsichtbaren Kanonenstellungen und Soldatenunterstände die Grenze zwischen der KuK Monarchie Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien sichern.
Vertreter der Amici di Bensheim haben die Gruppe in den kommenden Tagen bei ihren Ausflügen begleitet.
Die verbleibende Zeit war ausgefüllt mit einem Bootsausflug nach Malcesine, dem beliebten Ferienort an der Ostseite des Sees unterhalb des den Gardasee beherrschenden Monte Baldo Massivs. Sehenswert ist die den Ort überragende Skaligerburg mit angeschlossenem Naturkundemuseum, einer Goethestatue im Burghof und einem Goethesaal in der ehemaligen Pulverkammer. Dort befindet sich die Kopie einer Zeichnung der Burg, die Goethe während seiner „Italienischen Reise“ anfertigte und ihn beinahe wegen Spionageverdachts ins Gefängnis gebracht hätte.
Weiteres Ausflugsziel war das kleine, von Riva del Garda nur etwa 6 km entfernte Städtchen Arco mit der machtvoll über dem Sarcatal thronenden gleichnamigen Burg, die Stammburg der aus dem Fürstbistum Trient stammenden Grafen von Arco. Der schweißtreibende Aufstieg durch einen wunderschönen Olivenhain belohnte mit einem grandiosen Blick über die Ebene und kürzlich freigelegten Fresken aus dem höfischen Leben im Innern der Anlage. Der steile, fast senkrecht zur Ebene abfallende, bei Kletterern beliebte Berg faszinierte schon Albrecht Dürer, der ihn 1495 in einem Aquarell verewigte, das sich heute im Pariser Louvre befindet.
Natürlich dürfen die kulinarischen Genüsse bei einer Italienreise nicht zu kurz kommen, und so wurde die Gelegenheit zum Einkauf in der Agraria in Riva ausgiebig genutzt und die Weinverkostung im romantischen, wohl über einem antiken Tempel erbauten Castel Toblino genossen, das sich, malerisch auf einer Halbinsel befindlich, im gleichnamigen See spiegelt.
Spektakulärer Abschluss der Reise war der Besuch der gigantischen Wasserfälle von Varone, die man ohne ausreichenden Regenschutz nicht besuchen sollte. Hier hat sich der oberhalb gelegene Sturzbach Magnone seit über 20.000 Jahren in den Berg gegraben und bietet ein einzigartiges Naturschauspiel, indem er tosend und schäumend 98 m über zwei von ihm ausgewaschene Grotten mehrstufig in die Tiefe fällt, dort seinen Namen ändert und als Varone bei Riva in den Gardasee mündet.
Überreich an Eindrücken und mit Vorfreude auf die nächsten Reisen ging es wieder Richtung Heimat.
Text: Doris Tiemann