
Der deutsche-italienische Freundeskreis Bensheim – Riva del Garda wagt sich immer gerne auf neues thematisches Terrain, so auch kürzlich wieder, als es im gut besuchten Pfarrzentrum von St. Georg um das Thema „Die Deutsch-Florentinerinnen“ ging. Dr. Rotraud Fischer, Literaturhistorikerin an der TU Darmstadt, war als fachkundige Expertin in Bensheim zu Gast. Die Referentin präsentierte dem Publikum unter dem Titel „Nicht nur Salon – Deutsch-Florentinerinnen in Romantik, Risorgimento und Gründerzeit“ eine ganz besondere Zeit im Florenz des 19. Jahrhunderts: Exemplarisch anhand von fünf Künstlerinnenporträts beschrieb sie Florenz als den Anziehungspunkt par exzellence. Warum? Der Sohn Maria Theresias hatte die Toskana zu einem aufgeklärten Musterstaat entwickelt, ohne Todesstrafe, ohne Folterstrafen, mit großer liberaler und religiöser Freiheit; ein Ort des Exils.
Besonders in der Zeit von 1860 bis 1880 wurde Florenz zu einem gesellschaftlichen Hotspot, schließlich verkehrte dort die literarische Elite um große Namen wie Stael, Schlegel oder Humboldt. Die Deutsch-Florentiner siedelten sich zeitweilig oder auch dauerhaft in Florenz an, verkehrten in intellektuellen Zirkeln und Netzwerken sowie eleganten Salons. Die fünf Protagonisten waren: Gräfin Albany-Stolberg, Adele Schopenhauer, Ludmilla Assing, Caroline Unger (Opernsängerin) und Isolde Kurz. Trotz ihrer großen Verdienste sind sie zum Teil heute vergessen. Sie hingen völlig unterschiedlichen politischen Richtungen an: Die italienische Vereinigung (Risorgimento) wurde offen unterstützt, es gab auch ein antinapoleonisches Netzwerk. Man empfing den Sohn Garibaldis, Bakunin war zu Besuch.
Diese Deutsch-Florentiner bestanden als lockeres Netzwerk von Beziehungen. Ihre Akteure bezogen Stellung in den Kontroversen zwischen Revolution, Nationalismus, Kosmopolitismus und Realpolitik. Von Florenz aus korrespondierten sie mit aller Welt, schrieben Artikel und Bücher, fertigten Übersetzungen an und zeigten (auch Deutschland) ein anderes/neues Italien auf. So schrieb zum Beispiel Adele Schopenhauer (Schwester des Philosophen) – vor Baedeker – ein Florenzbuch, als Mischung aus Kunstführer und Erzählungen, das sich insbesondere an bürgerliche, nicht akademisch gebildete Reisende richtet. Andere, wie Ludmilla Assing, Nichte der Varnhagens, führten einen kosmopolitischen Salon und schrieben für verschiedene Zeitungen.
Die Referentin Dr. Rotraud Fischer verstand es, ihre Zuhörer mit auf eine spannende literarische Zeitreise zu nehmen und viele Erkenntnisse über ein zu selten beachtetes Thema zu liefern.
Autorin: Patricia Gropp