„Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin Italienerin, ich bin Christin.“ Dieses Video wurde zu einer Art Schlachtruf 2019 und ging viral: Der Vortrag von Dr. Vittorio Prada, Universität Tübingen, unter dem Titel „Fratelli d’Italia an der Macht“, beleuchtete Giorgia Melonis Regierung aus allen Facetten. Auf Einladung des deutsch-italienischen Freundeskreises Bensheim – Riva del Garda referierte der Experte vergangene Woche im vollbesetzten Pfarrzentrum von St. Georg.

Dr. Prada zeichnete Melonis Werdegang nach und zog eine erste Bilanz der Amtszeit der ultrarechten Politikerin: Geboren 1977 in Rom in einem Arbeiterviertel, die Mutter tätig im neofaschistischen Movimento Sociale Italiano. Dort wurde Tochter Giorgia selbst mit 15 Jahren aktiv und stieg schnell in der Jugendorganisation der Partei Alleanza Nazionale auf: Wahl in die Abgeordnetenkammer, Vizepräsidentin, Ministerin unter Berlusconi. 2012 war sie Mitbegründerin der Partei Fratelli d’Italia. 2014 übernahm sie den Vorsitz, wird später Präsidentin der Europa-Partei „Europäische Konservative und Reformer“ und 2022 Ministerpräsidentin Italiens. „Die Befürchtungen waren groß, als sie an die Macht kam“, sagte Dr. Prada in Bensheim. Jetzt, nach gut zwei Jahren im Amt, zeige sie sich aber außenpolitisch als Realpolitikerin und Unterstützerin der Ukraine.

Transatlantisch pflege sie zu Donald Trump und Elon Musk ein ausgezeichnetes Verhältnis. Die Zeitung Politico erkor sie zur „die wichtigsten Frau Europas“. Für italienische Verhältnisse ist Melonis Regierung außergewöhnlich stabil, ihre Zustimmung bei der EU-Wahl stieg auf fast 30 Prozent. Innenpolitisch kann sie Erfolge aufweisen: Seit 2015 stieg die Beschäftigungsquote auf einen Rekordwert. „Kritik an ihren Reformen und Gesetzen gibt es trotzdem“, so Dr. Prada.

Meloni distanziere sich zwar von explizit faschistischen Ideologien, habe sich aber nicht wirklich von Mussolini distanziert. Der Experte sieht außerdem Tendenzen zur Zensur: So wurde zum Beispiel der bekannte Schriftsteller und Rechtskritiker Scurati, der eine Rede zur Feier des Tages der Befreiung Italiens halten sollte, wieder ausgeladen. Dr. Prada berichtete von einer Einflussnahme auf den staatlichen Sender RAI durch Besetzung mit Sympathisanten der Partei.

Meloni versuche, rechtskonservative Werte in Reformen und Gesetzen umzusetzen. Beispiele sind Maßnahmen zum Schwangerschaftsabbruch: Dem Verein der Abbruchgegner Pro Life wird der direkte Zugang zu Beratungsstellen ermöglicht, Frauen fühlen sich massiv unter Druck gesetzt. Und das Gesetz zur Strafbarkeit der Leihmutterschaft wurde auf das Ausland erweitert.

Dr. Prada sieht Meloni jedenfalls fest im Sattel und prophezeit: „Wir werden von ihr sicherlich noch einiges hören – es verbleiben noch 2,5 Jahre.“

Die Zuhörer in Bensheim spendeten kräftig Applaus für diesen informativen Vortrag.

Text und Bild: Patrizia Gropp